O rei dos ratos no Brasil

Installation: Halle / Salvador

Am dem Tag als wir nach Salvador kamen, passierte in Halle etwas unfassbar Schlimmes. Wobei unfassbar… Rechtsextremismus, Hass und Fremdenfeindlichkeit wird in Deutschland, im Internet, weltweit toleriert. Uns überraschen Angriffe wie dieser nicht mehr. Ein geplanter Angriff auf Juden, Muslime, Menschen die in den Augen dieser Menschen „anders“ aussehen oder nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren sind längst Alltag. Und alles andere als „Alarmzeichen“.

Plötzlich waren alle Nachrichten über unsere Stadt all over the place. Und wir einen 14-Stunden Flug von allem entfernt.

Gleichzeitigkeit und Medienflut

Während wir hier mit der lokalen Games-Szene in Kontakt kommen, die Stadt kennen lernen, arbeiten und weitere Projekte in Brasilien vorbereiten, haben wir immer wieder Halle gegoogelt. Geht es allen gut? Was ist passiert? Wer war der Täter? Warum konnte das nicht verhindert werden? Welche Aktionen sind jetzt in der Stadt geplant? Wie geht Halle damit um? …

Letztlich waren wir überwältigt von Nachrichten und konnten gleichzeitig nichts tun, weil wir nicht in Halle sind. Und hier in Salvador gibt es ohnehin ganz andere Themen, die die Medien prägen – die Ölkatastrophe im Norden von Bahia zum Beispiel. Sogar hier in Salvador am Strand konnte man die Ölklumpen sehen.

Die Idee zur Installation

Deshalb haben wir uns für unser zweites Projekt entschieden, etwas genau darüber zu machen: Halle / Salvador. Zwei Städte, Medienüberflutung, unterschiedliche Sprachen, Töne, Probleme. Alles gleichzeitig. Und alles ist irgendwie gleich wichtig.

In unserer Installation gibt es zwei Ebenen: Im Hintergrund Nachrichten und Bilder aus Halle. Im Vordergrund Salvador. Bilder der Stadt, Kuriositäten, Sounds und Medienaufnahmen der Ölkatastrophe.

Um Halle bewusst wahrzunehmen, muss der Benutzer das Auge über Nachrichten gedrückt halten und sieht so eine Vignette von Halle. Salvador wird für diesen Moment zur Seite geschoben. Dazu werden außerdem Töne um den Vorfall in Halle gespielt.

Die Applikation gibt es hier.

Gedanken dazu

Aktuell haben wir die Installation noch nicht genug getestet. Verstehen nur Hallenser worum es geht? Wie wird das ganze aus brasilianischer Sicht wahrgenommen?

Zumindest funktioniert die Reizüberflutung und die Unmöglichkeit, an die Nachrichten zuhause vollständig anzuknüpfen ganz gut.

Für uns war die Applikation keine leichte Aufgabe. Schließlich ist es kein Game. Sondern ein Thema das sehr emotional, aufwühlend und delikat ist – und leider auch: nur ein Thema von vielen. Vermutlich wird sich in der Stadt und in Deutschland ohnehin nichts ändern. Uns hat die Installation zumindest ein wenig geholfen, doch irgendwie an das Geschehene anzuknüpfen und auch zu verarbeiten. Und unsere beiden Städte – Halle und Salvador – zu verknüpfen.

Making Of

Da Friedrich gerne neue Dinge ausprobiert, wollte er für Halle / Salvador die Open-Source-Engine Godot verwenden. Unsere Installation ist ja, sieht man vom Thema ab, recht niederkomplex. Bilder kommen und gehen, ein paar Texte und Animationen hier und da. Somit sollte ein unbekanntes Tool kein Problem darstellen.

Im Gegensatz zu der Engine Unity, die wir normalerweise verwenden, ist Godot komplett open-source und in allen Versionen kostenlos. Jeder kann es verwenden und auch verändern. Das ist reizvoll, aber führt auch dazu, dass Godot immer noch stark work-in-progress ist und sich an vielen Ecken und Enden unfertig anfühlt. Oft stürzt es ab oder produziert unverständliche Fehlermeldungen.

Auch das grundlegende Entwicklungsparadigma (alles basiert auf so genannten „Nodes“) unterscheidet sich von allen Frameworks die wir je verwendet haben. Dies stellte erst mal eine hohe Hürde dar. Aber insgesamt hat sich Godot als interessantes Tool herausgestellt, das wir in Zukunft noch öfter für kleinere Projekte verwenden werden.

Um den Unschärfe-Effekt in Halle / Salvador zu erstellen, erweiterte Friedrich einen Shader, der bereits in den beigefügten Demos vorhanden war. (Ein Shader ist ein Programm, das auf der Grafikkarte läuft und sich auch für Echtzeit-Bildmanipulation eignet.) So kann nun mit Mausklick ein „Fenster“ in die Unschärfe geöffnet, sodass man dort, wo sich das virtuelle Auge befindet, wieder scharf sieht.

Insgesamt sind viele der Objekte in unserer Installation zeitabhängig – Texte erscheinen und werden ausgeblendet, Bilder bewegen sich in eine zufällige Richtung, und so weiter. Da in Godot an jedes dieser Objekte ein eigenes kleines Script (d.h. Programmcode) gehängt werden kann, war dies recht einfach zu bewerkstelligen.

Hätten wir wieder Unity benutzt, wäre das Projekt sicher schneller fertig geworden. Der Lerneffekt wiegt das jedoch auf. In unserer schönen digitalen Welt bleibt nichts auf ewig, und es wäre daher dumm, sich an nur ein einziges Tool zu binden.

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